Innenweltkosmos

Raummetrik


Die Gekrümmte Raummetrik der Innenwelt I

W. Braun, Physiker


Das Trägheitsgesetz


Der Anfang der heutigen experimentellen Naturwissenschaft liegt in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit dem Schaffen des italienischen Physikers Galilei (1564-1642) vollzog sich die endgültige Abwendung von der für die Physik unfruchtbaren, meist rein philosophischen Betrachtungsweise der griechischen Antike, hin zur experimentellen Fragestellung an die Natur. Galilei war ein entschiedener Gegner des Aristoteles, während er Archimedes sehr verehrte.

Seine Untersuchungen bezogen sich vor allem auf die Fallbewegung und die Bewegung von Körpern auf der schiefen Ebene. Er definierte den Bewegungszustand der gleichförmig beschleunigten Bewegung und erkannte, dass die Bewegungsform in kausaler Verknüpfung mit Kräften steht. (Erst Newton erkannte, dass es eine zeitlich konstante Kraft sein muss, die diese gleichförmig beschleunigte Bewegung hervorruft.)

Eine weitere entscheidende Erkenntnis, die bei seinen Untersuchungen mehr nebenbei sich ergab, ist das Beharrungs- oder Trägheitsgesetz. Dieses Gesetz wollen wir genau beschreiben und untersuchen. In der heutigen Formulierung besagt dieses Gesetz:
Ein Körper, auf den keine äußere Kraft wirkt, verharrt im Zustand der Ruhe oder der geradlinig gleichförmigen Bewegung. So gibt es für eine Billardkugel auf ebener Unterlage nur zwei Zustandsmöglichkeiten, wenn keine Kraft auf sie wirkt: entweder sie ruht, oder sie rollt mit gleichförmiger Geschwindigkeit gerade aus.

Eine Stahlkugel auf einer glatten Eisfläche rollt sehr weit, beispielsweise 1000 m und zwar auf geradliniger Bahn mit einer gleichförmigen Geschwindigkeit. In Wirklichkeit ist die Geschwindigkeit natürlich nicht genau gleichförmig, da die unvermeidliche Reibung sie doch leicht abbremst und schließlich zum Stillstand bringt. Wenigstens in Gedanken kann man dieses Experiment dahingehend idealisieren, dass man jegliche Reibung vollkommen ausschaltet. In diesem gedachten Falle würde dann die Kugel ewig mit gleichförmiger Geschwindigkeit weiterrollen.

Nun weiß man, dass die Erdoberfläche Kugelgestalt hat (ob die Krümmung hohl- oder vollrund ist, sei vorerst dahingestellt).

Unsere von jeglicher Reibung befreite Stahlkugel wird also ewig um die Erde rollen, sofern man die Richtigkeit des Trägheitsgesetzes zugrunde legt. Auf der kleinen Eisfläche eines Sees konnte man von geradliniger Bewegung sprechen, da auf kurze Entfernung sich die Erdkrümmung nicht bemerkbar macht In der gedanklichen Erweiterung des Experimentes auf die bereits als kosmisch zu bezeichnenden Dimensionen der gesamten Erdoberfläche jedoch ist die Bahn kreisbogenförmig gekrümmt, also nicht mehr geradlinig, wie es das Trägheitsgesetz behauptet.
Stimmt das Gesetz also doch nicht?

Andererseits scheint das Trägheitsgesetz aber richtig zu sein, da kein Grund vorliegt, warum die Kugel auf ihrer reibungslosen Bahn zur Ruhe kommen sollte. Hier scheint ein Widerspruch zu bestehen. Er ist aber nur scheinbarer Natur; denn das Trägheitsgesetz gilt ja unter der ausdrücklichen Bedingung, dass keine äußere Kraft auf den Körper wirkt. Nun haben wir aber bei unserem Gedankenexperiment nur die Reibungskraft beseitigt. An die Schwerkraft haben wir nicht gedacht. Sie ist es aber, die unsere Kugel dauernd an die Erdoberfläche bindet. Man muss eben beachten, dass das Trägheitsgesetz zwei Eigenschaften der Bewegung nennt:

1. Die geradlinige Bahn.
2. Die gleichförmige Geschwindigkeit, sofern keine äußere Kraft wirkt. Punkt 2 ist gewährleistet, weil die Reibungskraft beseitigt wurde. Punkt 1 dagegen ist nicht erfüllt, denn die Bewegung ist nicht kräftefrei wegen der Schwerkraft.

Deshalb ist die Bahn nicht geradlinig, sondern kreisbogenförmig gekrümmt. Auf diesen Fall ist aber das Trägheitsgesetz nur bedingt anzuwenden. Ein Widerspruch besteht jedoch nicht. Wie würde die Bahn sich wohl verändern, wenn es gelänge, die Schwerkraft auch noch auszuschalten, wenigstens in Gedanken?
Um die Antwort auf diese sehr entscheidende Frage zu finden, lassen wir uns durch einige Gedankenexperimente auf die richtige Fährte führen: Ein waagrecht geworfener Stein fliegt nicht weit.

Die Schwerkraft erfasst ihn und zieht ihn zu Boden. Nach beispielsweise 10 Metern schlägt er auf. Eine Gewehrkugel hat eine sehr viel größere Geschwindigkeit, wenn sie den Lauf verlässt. Sie vermag in waagrechter Richtung viel weiter zu fliegen, etwa 500 Meter, bis sie von der Schwerkraft zu Boden gezogen ist.

Rein formal kann man sagen: Der langsame Stein unterliegt der Schwerkraft in stärkerem Maß als die schnelle Gewehrkugel. Ein Geschoß von höchster Geschwindigkeit wird dann wohl von der Schwerkraft überhaupt nicht mehr erfasst. Die Flugbahn eines solchen Geschosses würde uns sehr interessieren; denn seine Bewegung wäre ideal kräftefrei, die Reibung wäre durch Idealisierung, die Schwerkraft durch seine hohe Geschwindigkeit ausgeschaltet. Für solche ideal kräftefreie Bewegungen würde dann das Trägheitsprinzip uneingeschränkt gelten.

Dank der Erkenntnisse der Physik stehen uns nun tatsächlich solche Geschosse höchster Geschwindigkeit zur Verfügung, nämlich die Lichtkorpuskeln. Nach der Korpuskeltheorie besteht das Licht aus kleinsten Teilchen, den so genannten Lichtkorpuskeln oder Lichtquanten. Diese werden von jeder Lichtquelle, sei es eine Kerze, ein Scheinwerfer oder ein LASER-Strahlgerät ausgeschleudert.

Mit der unvorstellbaren Geschwindigkeit von 300 000 km pro Sekunde schießen sie durch den Raum. Auf Grund ihrer großen Geschwindigkeit werden sie von der Erdschwerkraft praktisch überhaupt nicht beeinflusst Sie bewegen sich so, als wäre die Schwerkraft nicht vorhanden.

D.h. aber, die Bewegung der Lichtkorpuskeln ist ideal kräftefrei. Ihre Bahn sollte also nach dem Trägheitsprinzip exakt geradlinig sein und mit gleichförmiger Geschwindigkeit durchlaufen werden.
Gilt das Trägheitsprinzip im ganzen Kosmos, so ist auch die Aussage richtig, dass das Licht sich im ganzen Kosmos geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit ausbreitet. Dieser Satz war schon seit allen Zeiten der forschenden Naturbetrachtung des Menschen eine als selbstverständlich angesehene stillschweigende Voraussetzung, die niemals in Frage gestellt wurde. "Das Licht breitet sich geradlinig aus".
Das ist auch heute noch ein Grundgesetz der Optik. Die Aussage fußt ganz einfach auf der Anschauung der praktischen Erfahrung des täglichen Lebens. "Man sieht es ja, dass der Lichtstrahl gerade ist. Dabei vergisst man, dass die Strahlenlängen bei diesen Beobachtungen kurz sind. Etwaige Abweichungen von der Geradlinigkeit können nicht erkannt werden. Schon die geringste Krümmung aber könnte auf kosmische Entfernungen sich zu gewaltigen Abweichungen summieren. Die historische Entwicklung der Aussage über die geradlinige Lichtausbreitung im Kosmos führte also durchaus nicht über das Galileische Trägheitsprinzip, wie es oben dargestellt wurde.

Vielmehr ist im Trägheitsgesetz die Hypothese von der geradlinigen Lichtausbreitung bereits enthalten. Befragt man nämlich Galilei bzw. einen seiner Nachfolger als Vertreter der heutigen Wissenschaft, wie der Begriff "Geradlinigkeit" definiert sei, so wird er antworten müssen: " Geradlinigkeit ist definiert durch diejenige Bahn, die der Lichtstrahl im freien Weltenraum durchläuft." Die moderne Naturwissenschaft kennt in der Tat keine andere Definition der Geradlinigkeit. Dies ist auch der tiefere Grund, dass eine experimentelle Nachprüfung der geraden Lichtausbreitung nie in Erwägung gezogen wurde und von der modernen Naturwissenschaft auch heute noch für unsinnig erachtet wird; denn die einzige Nachprüfung des Lichtstrahlverlaufes im Weltraum wäre der Vergleich mit einer Geraden.

Da diese aber eben durch die Lichtausbreitung definiert ist, und die heutige Wissenschaft keine andere Messgerade zur Verfügung hat, bleibt die geradlinige Lichtausbreitung eine unbewiesene Hypothese. Dass Galilei die kräftefreie Bewegung ebenfalls auf der nach dem Lichtstrahl definierten Geraden suchte, war sehr nahe liegend. Denn nach irdischen Experimenten zu folgern (z.B. Billardkugel), folgen kräftefreie Körper derselben Bahn wie der Lichtstrahl. Eine evtl. vorhandene Abweichung könnte der Beobachtung durchaus entgehen.

Der enge Bezirk irdischer Erfahrungsmöglichkeit legt also die Identität zwischen kräftefreier Bahn eines Körpers und dem Lichtstrahlverlauf nahe. Beide bezeichnet man nach dem Augenschein als geradlinig. Hier stößt man nun auf die entscheidende Frage: " Bleibt diese Identität auch auf kosmische Dimensionen gewahrt, oder ergeben sich dort Differenzen?" Selbstverständlich wurde diese Frage nie experimentell in direkter Weise nachgeprüft, da ein solches Experiment gar nicht ausführbar ist. Es gibt aber unzählige indirekte Hinweise, die diese Übertragung irdischer Erfahrungsinhalte auf kosmische Bereiche rechtfertigen bzw. geradezu fordern. Das Kepler-Newton'sche System der Himmelsmechanik fußt auf dieser meist gar nicht ausgesprochenen Grundannahme, dass die kräftefreie Bahn eines Himmelskörpers im Weltall und die Bahn des Lichtstrahles zusammenfallen. Beide werden per definitionem (durch Festlegung) als geradlinig bezeichnet.

Auf Grund der Geschlossenheit und der Brauchbarkeit dieses astronomischen Systems in seiner praktischen Bewährung kann nicht daran gezweifelt werden, dass diese Grundannahme sinnvoll und richtig ist. Da dieser entscheidende Zusammenhang von Seiten der heutigen Wissenschaft nie der Erwähnung wert erachtet, sondern als selbstverständlich angesehen wird, sei er hier besonders hervorgehoben und mit allem Nachdruck formuliert:

Die Bahn des Lichtstrahls und die Bahn der kräftefreien Körpers sind identisch.

Diese Aussage ist ein unumstößlich richtiges Ergebnis jahrhundertelanger astronomischer Forschung. In Frage gestellt wird lediglich die Form dieser Bahn, Sie wird heute wie vor Jahrhunderten als geradlinig bezeichnet, ja sogar zur Definition der Geradlinigkeit herangezogen .

Die experimentelle Untermauerung fehlt jedoch völlig! .

Kehren wir nach diesen Betrachtungen noch einmal zu unserem eingangs behandelten Gedankenexperiment mit der reibungslos rollenden Stahlkugel zurück. Wie wird sie sich bewegen, wenn sie der Erdschwere nicht mehr unterliegt, etwa dann, wenn sie mit sehr großer Geschwindigkeit abgeschleudert wird? Nach der Kepler-Newton‘schen Theorie würde sie, dem Lichtstrahl folgend, sich von der Erdoberfläche abheben und auf geradliniger Bahn ins Weltall entweichen, wie Abbildung 5.0 zeigt. Dieses Ergebnis ist mit Sicherheit zu erwarten, und zwar auf Grund der inneren Geschlossenheit dieses Systems, das seine Bewahrung bis hin zur Weltraumfahrt der jüngsten Zeit gezeigt hat.

Ist aber die Erdschale konkav (hohlrund) gewölbt und damit der Lichtstrahl gekrümmt, so ist auch die Flugbahn der Stahlkugel gekrümmt. Auch nach diesem System hebt sich die Kugel nach kurzer Strecke von der Erdschale ab und steigt auf gekrümmter Bahn ins Weltall empor (Abbildung 22). Jede Theorie, die hier ein zentrifugales Haften an der Erdschale behaupten würde, wäre unsinnig, da sie allen experimentellen Erfahrungstatsachen in ihren vielfältigen und komplexen Verknüpfungen widersprechen würden.


Abbildung 22 zeigt einen Körper, der mit sehr großer Geschwindigkeit tangential zur Erdoberfläche sich kräftefrei bewegt, hebt sich von der Erdoberfläche ab.
a) konvexe Erdkrümmung und b) konkave Erdkrümmung









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